5 Tipps für dein Ehrenamt für wohnungs- & obdachlose Menschen
Laut Schätzungen der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. haben mehr als 678.000 Menschen in Deutschland keine Wohnung und werden damit als wohnungslos bezeichnet (Stand: November 2019) – Tendenz steigend.
Wohnungslosigkeit ist jedoch nicht gleichbedeutend mit Obdachlosigkeit. Solange jemand zwar keinen festen Wohnsitz oder geschützten privaten Wohnraum hat, aber zeitweise bei Freund*innen und Bekannten übernachten kann oder einen mehr oder weniger „sicheren“ Schlafplatz in einer Unterkunft (Hostel, Notunterkunft, etc.) besitzt, wird er*sie als wohnungslos bezeichnet. Von Obdachlosigkeit spricht man, sobald auch diese Auffangsysteme wegfallen und Menschen auf der Straße – also ohne Obdach – leben. Die Zahl der obdachlosen Menschen wird in Deutschland auf rund 48.000 geschätzt (Hochrechnung einer Erhebung in NRW, Stand 2017).
Egal, ob wohnungs- oder obdachlos – die Zahlen der Menschen, die kein richtiges Zuhause haben, ist erschreckend. Falls dich diese Zahlen genauso betroffen machen wie uns und du mehr tun willst als hin und wieder Kleingeld oder Kleidung zu spenden, ist vielleicht ein Engagement bzw. Ehrenamt für wohnungs- und obdachlose Menschen das Richtige für dich. Was du dabei unbedingt beachten solltest, verraten wir dir hier.
1. Sei aufgeschlossen
Bei einem Ehrenamt oder Engagement für Obdachlose Menschen wirst du auf Personen verschiedener Herkunft und mit ganz unterschiedlichen Kontexten treffen. Neben ihrer Obdachlosigkeit haben viele von ihnen auch Sucht- und andere gesundheitliche Probleme. Nicht alle sprechen deutsch oder wollen überhaupt mit jemandem sprechen. Für Dr. Gregor Wierciochin, Ehrenamtskoordinator der Johanniter in Berlin, ist es im Engagement mit Obdachlosen am wichtigsten, seine eigenen Klischees zu Hause zu lassen: “Der Umgang mit obdachlosen Personen ist eine Gelegenheit, eigene Vorurteile zu hinterfragen und die Perspektive zu ändern. Jeder Mensch kann in Not und von heute auf morgen in eine gesundheitliche oder soziale Schieflage geraten – daran sollte man sich stets erinnern.”
Besser als Mitleid oder Bedauern ist es, die obdachlose Person anzusehen, anzusprechen und zu fragen, wie es geht oder wie sie heißt. Das ermöglicht laut Dr. Wierciochin einen Umgang auf Augenhöhe: “Letzten Endes stehen sich zwei Menschen gegenüber – egal, wie groß die angeblichen sozialen Unterschiede sind.”
2. Mache deine Grenzen klar
Zum vorbehaltlosen Umgang miteinander gehört es aber auch, eigene Grenzen offen anzusprechen, z.B. wenn es um Nähe und Distanz geht. “Wenn mir jemand zu nahe kommt oder unhöflich auftritt, dann ist es völlig in Ordnung, die Person darauf anzusprechen und zum Beispiel zu sagen, welchen Umgang ich mir eher wünsche”, sagt Dr. Wierciochin. Da man in der Arbeit mit obdachlosen Personen selten alleine ist, ist es wichtig, dass das Verhalten aller dazu beiträgt, dass eine gute und sichere Atmosphäre herrscht.
3. Sei achtsam mit dem Thema Gesundheit
Für Menschen, die auf der Straße leben müssen, ist es oft nicht ganz einfach, Körperpflege zu betreiben. Schon eine Duschgelegenheit zu finden, ist nicht selten eine große Schwierigkeit, ganz zu schweigen von sauberer Wäsche. Dazu kommt, dass obdachlose Personen oft mit Suchterkrankungen zu tun haben. Da sie nicht immer im Regelsystem versichert sind, ist ihre ärztliche Versorgung sehr lückenhaft.
“Für obdachlose Personen ist es mitunter schwierig, gesund und gepflegt zu bleiben. Sie können auf Kleider- und Hygienespenden und auf eine ehrenamtliche ärztliche Versorgung angewiesen sein. Und darauf, dass sie wegen ihrer gesundheitlichen Situation keine Ausgrenzung erfahren”, meint Dr. Wierciochin. Dies gilt auch und gerade für die Arbeit mit obdachlosen Personen. Der Ehrenamtskoordinator der Johanniter fährt fort: “Auch die Angst vor ansteckenden Krankheiten sollte bei den Engagierten nicht allzu groß sein: bei geringem Körperkontakt und Einhalten der allgemeinen Schutzmaßnahmen, die wir in Corona-Zeiten alle verinnerlicht haben, gibt es hier wenig Anlass zur Sorge.”
4. Lass dich durch rauere Umgangsformen nicht verunsichern
Die Umgangsformen mancher obdachloser Personen sind ruppig – im Umgang miteinander und vielleicht auch im Umgang mit Dir. Manchmal ist auch die Sprachbarriere eine große Hürde. Lass Dich davon aber nicht beirren: “Es gibt viele nicht-sprachliche Kommunikationssignale, die jeder Mensch versteht, Freundlichkeit kommt immer an”, sagt Dr. Wierciochin. “Wenn sich Menschen angenommen fühlen, wenn sie merken, hier werde ich gesehen, hier kann ich in sicherer Umgebung zur Ruhe kommen, dann wird sicher der Umgangston auch sanfter.” Nicht zuletzt ist man gemeinhin nicht allein: vielleicht kann jemand das eine oder andere Wort übersetzen, vielleicht kann ich selbst noch aus der Schule etwas Französisch, Englisch, Russisch oder Polnisch? Ein herzliches “Salut, comment ça va?”, “Привет!” oder “cześć!” hat schon manches Lächeln auf fremde Gesichter gezaubert.
Und sollte es einmal doch rauer werden, bleibe ruhig und bestimmt und sage, vielleicht unter vier Augen, deutlich, was für dich okay ist, und was nicht – so, wie im Umgang mit jedem anderen Menschen auch.
5. Halte dich mit deiner Meinung zurück
Aufgeschlossen und vorbehaltlos zu sein, heißt auch, dass du dich in deinen Meinungen zurückhältst. Vergiss nicht: durch urteilen lernt man nichts.
Weder ist es ratsam, sich den obdachlosen Personen aufzudrängen und alle ihre Probleme lösen zu wollen, noch, sie zu belehren. Die Arbeit mit Obdachlosen kann man nicht auf dem hohen Ross machen. “Einem Menschen in Not die Hand zu reichen, im Hier und Jetzt Hilfe zu sein, indem man eine Mahlzeit oder einen Schlafplatz anbietet, ist sicherlich ein sehr guter Anfang”, so Dr. Wierciochin. Vielleicht kommt bei manchen Engagierten das Gefühl auf, dass einige obdachlose Personen in einem Teufelskreis stecken, in dem Not, Ausgrenzung und Sucht einander verstärken, aber auch hier ist es wichtig, nicht zu urteilen.
So fährt der Ehrenamtskoordinator der Johanniter fort: “Wir kennen selten die ganze Geschichte der Menschen, die zu uns kommen, aber vielleicht müssen wir das auch gar nicht. Was wir unseren Gästen bieten wollen, ist, einige Stunden mit uns zu verbringen und nicht die in Not Geratenen, die Obdachlosen, sondern in erster Linie Menschen zu sein.”
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Dr. Gregor Wierciochin und dein Team von vostel.de
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