Mehr als Geben und Nehmen: Engagement ist gelebte Empathie
von Simone Wong
Als Werkstudentin, die viel in der Welt unterwegs ist, empfinde ich es manchmal als Herausforderung, das Beste aus der Zeit zu machen, die mir in einem neuen Land zur Verfügung steht. In einer Stadt wie Berlin ist es einfach, neue Leute kennenzulernen, wenn man aufgeschlossen ist (… oder aktiv genug für die Club-Szene). Doch es fällt nicht jedem leicht, Anschluss zu finden, wenn alles so … fremd ist. Sich ehrenamtlich zu engagieren ist für viele eine naheliegende Möglichkeit, Menschen kennenzulernen und gleichzeitig etwas Gutes zu tun (dafür ist vostel.de natürlich die perfekte Plattform). Für mich hat diese Erfahrung jedoch noch viel mehr Positives in Gang gesetzt – was, darüber möchte ich heute berichten.
Raus aus der Blase
Berlin ist das perfekte Beispiel dafür, wie vielfältig und divers das Leben ist. Die Stadt zieht Menschen unterschiedlichster Kulturen und Herkunft an. Läuft man in Mitte eine Straße entlang, hört man immer mindestens drei oder vier Sprachen.
Die Vielfalt in dieser Stadt geht manchmal leider auch mit Konflikten oder Vorurteilen zwischen den einzelnen sozialen Gruppen einher. Meist äußert sich das subtil, etwa durch einen unfreundlichen Blick in der U-Bahn oder durch das Meiden von Straßen, von denen man gehört hat, sie seien „berüchtigt“.
Um uns innerhalb der Gesellschaft zu positionieren, bilden wir wie selbstverständlich Gruppen und unterscheiden zwischen „Wir“ und den „Anderen“. Die traurige Wahrheit ist, dass Menschen oft Angst vor unbekannten „Fremdgruppen“ haben, daher der Irrglaube, dass es schwer ist, mit jenen zu interagieren, die anders sind als wir. Im schlimmsten Fall kommt es zu feindlichen Haltungen oder Vorurteilen gegenüber Menschen, mit denen wir keine Berührungspunkte haben.
Was ich für einen guten Weg halte, dieses Problem in den Griff zu bekommen? Die eigene Empathiefähigkeit durch ehrenamtliches Engagement stärken.
Empathie bezeichnet die Fähigkeit, uns in die Lage, Einstellung und emotionale Befindlichkeit anderer Personen einzufühlen. Ich glaube, dass Ehrenamt für viele bedeutet, einen Beitrag zu leisten und der Gesellschaft etwas „zurückgeben“. Es scheint fast so, als gäbe es eine vorbestimmte Macht-Dynamik, als wäre der einzige Grund, warum wir hier sind, dass irgendwo jemand Zeit oder Ressourcen benötigt. Doch geht es wirklich nur um das Prinzip des Gebens und Nehmens? Vielmehr kann ehrenamtliches Engagement uns eine unmittelbare und authentische Sicht auf gesellschaftliche Herausforderungen und Probleme vermitteln, mit denen andere zu kämpfen haben.
„Und noch wichtiger, wir widmen unsere Zeit anderen Menschen und knüpfen Kontakte, die in den gesellschaftlichen Blasen, in denen wir leben, nie zustande kommen würden.“
Mein Weg zum Ehrenamt
Mit Freiwilligenarbeit kam ich erstmals in der Schulzeit in Berührung, einfach weil ehrenamtliches Engagement eine Voraussetzung für mein IB-Studium war. Nach und nach hatte ich immer mehr Spaß daran und investierte zunehmend Zeit in ehrenamtliche Tätigkeiten.
„Je häufiger ich an Aktivitäten teilnehme, desto öfter komme ich mit neuen Denkweisen in Berührung, die von alleine nie in Gang gesetzt würden – daher macht es einfach Sinn, den eingeschlagenen Weg in Berlin fortzusetzen.“
Als ich für mein Studium nach Großbritannien (und später nach Dänemark) zog, engagierte ich mich auch weiterhin ehrenamtlich. Mittlerweile habe ich den Überblick verloren, mit wie vielen gesellschaftlichen Themen ich bereits in Berührung gekommen bin, von psychischen Erkrankungen über LGBTQ +, Armut und Nahrungsmittelverschwendung bis hin zu AIDS, Tierrechten, Recycling und ethischem Konsumverhalten. Je häufiger ich an Aktivitäten teilnehme, desto öfter komme ich mit neuen Denkweisen in Berührung, die von alleine nie in Gang gesetzt würden – daher macht es einfach Sinn, den eingeschlagenen Weg in Berlin fortzusetzen.
Als Expat hat mir die Freiwilligenarbeit auch geholfen, wieder mit meiner Heimatstadt in Verbindung zu kommen. Hongkong ist eine der reichsten Städte der Welt, dennoch sind die ärmsten zehn Prozent rund 44-mal ärmer als die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung. Diese groteske Einkommensungleichheit hat unsere Unkenntnis über die Lebensbedingungen und Bedürfnisse anderer Gesellschaftsgruppen nur noch verstärkt.
Dieses Problem gibt es natürlich nicht nur in Hongkong. Sicherlich können wir auch ohne selbst unmittelbar die Erfahrung gemacht zu haben über das Wohlfahrtssystem diskutieren und politische Maßnahmen und Probleme auflisten, die unserer Meinung nach priorisiert werden sollten. Doch wie sehr würde eine solche Liste wirklich der Allgemeinheit zugutekommen? Oder würde sie auf einer eher einseitigen Sichtweise dessen beruhen, was unserer Ansicht nach „gut für alle“ ist?
„Für mich geht es bei ehrenamtlichen Tätigkeiten nicht um die Befriedigung, die man anschließend empfindet, weil man etwas „richtig“ gemacht hat, sondern darum, ein tieferes Verständnis zu erlangen und darüber nachzudenken, warum bestimmte Dinge ‚nicht richtig‘ sind.“
Ich würde sehr gerne erfahren, was ehrenamtliches Engagement bei euch in Gang gesetzt hat. Es wäre toll, eure Geschichten und Gedanken dazu zu hören!
In meinem nächsten Artikel möchte ich gegenüberstellen, wie sich ehrenamtliches Engagement in verschiedenen Ländern unterscheidet, was gängige Praxis ist, wie das Thema generell gesehen wird, usw. (natürlich basierend auf meinen eigenen Erfahrungen).
Danke fürs Lesen und bis dahin – frohes ehrenamtliches Schaffen!
Die 22-jährige Simone aus Hongkong hat in Kopenhagen ein Masterstudium absolviert und ist derzeit als Praktikantin in Berlin tätig. Zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehören☕, ihr Blog & Instagram, sich in Berlin verlaufen und glückliche Zufallsbegegnungen mit Menschen.
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