Zum Hauptinhalt springen

Finde dein Ehrenamt auf

Was bedeutet Polarisierung für unsere Gesellschaft?

In aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatten scheint der Ton zunehmend kompromissloser zu werden. Meinungen sind unverrückbar und lassen häufig wenig Raum für Veränderung. Dabei lebt unsere Demokratie eben gerade von Kompromiss und Verständnis für die Position anderer. Woher kommt diese zunehmende Polarisierung, was bedeutet sie für unsere Gesellschaft und was können wir dagegen tun? Das wollen wir in diesem Artikel näher beleuchten.

    1. Was ist die Definition von Polarisierung?
    2. Wer polarisiert & warum?
    3. Wie wird polarisiert?
    4. Welche Themen polarisieren besonders?
    5. Wie polarisiert ist Deutschland?
    6. Was sind die Folgen von Polarisierung?
    7. Engagiere dich über vostel.de für eine offene Gesellschaft

Was ist die Definition von Polarisierung?

Unter Polarisierung versteht man das starke Abweichen von Einstellungen verschiedener sozialer Gruppen oder Einzelpersonen zu einem Thema oder gegenüber anderen. Starke Polarisierung bedeutet dabei, dass Positionen sehr weit auseinandergehen und kein gegenseitiges Verständnis vorhanden ist. Sie lässt sich unterteilen in affektive und ideologische Polarisierung. Erstere beschreibt eine starke emotionale Verbindung zu einem Thema als Ursache für starke Einstellungen, die anderen Gruppen konträr gegenüberstehen. Die ideologische Polarisierung hingegen beschreibt eine auf (faktischen) Überzeugungen beruhenden Einstellung. 

Wer polarisiert & warum?

Zwei große Spielfiguren stehen sich gegenüber. Hinter ihnen stehen zwei Gruppen von kleineren Spielfiguren.
Bild: Canva

Um zu verstehen, wie Polarisierung funktioniert, ist es hilfreich sich diese Fragen zu stellen:

  • Wer ist polarisiert?
  • Wer erzeugt Polarisierung?
Wer ist polarisiert?

Grundsätzlich kann jede Person oder Gruppe eine polarisierte Meinung zu einem Thema einnehmen. Eine aktuelle Studie der Marcator Stiftung und TU Dresden von 2023 untersuchte hierzu, wie sich Polarisierung in Europa über verschiedene Länder sowie soziale und politische Gruppen verteilt – eine klare Leseempfehlung für alle, die tiefer in das Thema einsteigen wollen.

In der Studie zeigt sich, dass je stärker die eigene Meinung zu einem Thema ist, desto größer ist die potentielle Polarisierung, also die Abgrenzung gegenüber Andersdenkenden. Eine Polarisierung kann dabei stark von aktuellen Diskursen und medialen Stimmungslagen beeinflusst sein, wie Debatten zum Thema Zuwanderung, Krieg in der Ukraine oder Klimawandel zeigen (mehr dazu im Abschnitt „Welche Themen polarisieren?”). Bei diesen Themen kann eine besonders starke Polarisierung bei Anhänger*innen der AfD beobachtet werden.

Gleichzeitig sorgen aber auch ein hohes politisches Interesse und Gestaltungswillen für hohe Polarisierungswerte, was besonders bei progressiven Positionen wie bei den Grünen zu beobachten ist. Sie haben ein „szientokratisches Politikverständnis – also die Überzeugung, dass das, was die Wissenschaft sagt, unmittelbar in Politik umgesetzt werden muss”, so der Studienleiter der Marcator Studie Hans Vorländer.

Es ist also wichtig, die verschiedenen Gründe für Polarisierung zu berücksichtigen. Denn natürlich können „Demokraten mit sehr guten Gründen Undemokratisches ablehnen”, so Jochen Rose, Sozialforscher der Konrad Adenauer Stiftung.

Wer erzeugt Polarisierung?
Das Bild zeigt eine Zeitungsdruckerei.
Bild: Canva

Polarisierung geht in der Regel von Personen oder Institutionen aus, die eine gewisse Aufmerksamkeit erfahren und damit das Potential haben, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dazu gehören:

  • Medien, die mit der Art und Weise, wie sie über ein Thema berichten, eine starke und teilweise gezielt einseitige (polarisierte) Sichtweise vermitteln. Bekannte Beispiele für besonders polarisierende Medien sind die BILD, das rechtsextreme Compact-Magazin oder Verschwörungsblogs wie Tichys Einblick. In Abgrenzung dazu setzt qualitativer Journalismus (unabhängig von der politischen Richtung) auf Darstellung von Fakten und verschiedenen Perspektiven auf ein Thema, inklusive Ambivalenzen und Abstufungen.
  • Politiker*innen, die durch ihre Positionen, Rhetorik und Handlungen gezielt bestimmte einseitige (polarisierte) Sichtweisen auf Themen vertreten, die für ihre Ideologie und ihre Interessen förderlich sind. Auch wenn dies potentiell für alle Politiker*innen zutreffen kann, gibt es doch einige Beispiele für extreme und bewusst polarisierende Äußerungen. So beispielsweise die polarisierenden Aussagen von Friedrich Merz zu Personen mit Fluchterfahrung, geschichtsrevisionistische rechtsextreme Aussagen von Alice Weidel und Björn Höcke oder auch russlandfreundliche Forderungen von Sarah Wagenknecht.
  • Aktivist*innen, die zur Mobilisierung für bestimmte Themen durchaus zugespitzte (polarisierte) Positionen einnehmen. Als Beispiele können hier die Letzte Generation oder Aktionen der Tierschutzorganisation PETA herangezogen werden. 
Warum wird polarisiert?

Das Ziel von Polarisierung besteht in der Regel darin, durch überspitzte Darstellung Aufmerksamkeit zu erzeugen.

  • Aktivist*innen nutzen das Mittel der Polarisierung meist, um auf Missstände hinzuweisen.
  • Medien nutzen oft Polarisierung, um Verkäufe und Klickzahlen zu steigern, da diese durch Skandale und Aufreger-Themen stärker steigen als durch ausgewogene Berichterstattung. Darüber hinaus gibt es auch Kampagnen, um gezielt Stimmung für oder gegen ein Thema oder Personen zu machen.
  • In der Politik hingegen werden Themen oder Probleme oft überspitzt dargestellt, um sich selbst als Lösungsbringer*in anzubieten und gleichzeitig ein “Wir-Gefühl” bei den Wähler*innen zu erzeugen. Politiker*innen oder Parteien diffamieren oft gegensätzliche oder differenzierte Positionen und stellen die Opposition als Feind dar, den es zu bekämpfen gilt. Das Ziel besteht darin, die eigene Wählerschaft über selbstgewählte (meist emotionale) Themen an sich zu binden und dadurch Zustimmung und letztlich Wahlen zu gewinnen.

Wie wird polarisiert?

Ein Bildauschnitt bei dem die Hände eines Mannes im Anzug zu sehen sind. Der Mann spricht in ein Mikrophon und gestikuliert dabei.

Schauen wir etwas konkreter auf die Frage, wie polarisiert wird, lohnt sich beispielhaft ein Blick auf die Methoden der AfD. Hierzu hat Deutschlandfunk eine Analyse der Kommunikationsstrategie der Partei zusammengestellt, in der Expert*innen den wichtigsten Grund für ihren Erfolg sehen. 

Grundsätzlich beruht er auf vier Elementen, die der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje bereits 2017 in seinem Artikel “Propaganda 4.0 – die Erfolgsstrategie der AfD” beschrieb:

  • Delegitimierung der etablierten journalistischen Medien
  • Aufbau und Etablierung eigener parteinaher Medienkanäle
  • Ausbildung einer kollektiven Identität beziehungsweise rechtspopulistischen Parallelgesellschaft
  • extreme Polarisierung im öffentlichen Diskurs
Delegitimierung der etablierten journalistischen Medien

Vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird von der AfD angegriffen. Diese werden als Lügenpresse, Systempresse oder Staatsfunk verhöhnt. Laut einem Konzept der Partei von 2017 sollen ARD und ZDF aufgelöst und privatisiert werden. All das dient der Delegitimierung unabhängiger Berichterstattung, wie sie auch in totalitären Staaten praktiziert wird.

„Die AfD verteufelt die unabhängigen Medien als ‚Systempresse‘, gleichzeitig braucht sie sie als Bühne für ihre Inszenierungen, Provokationen und Abgrenzungen zum politischen Feind.“ – Hillje

Aufbau und Etablierung eigener parteinaher Medienkanäle
Zwei Hände tippen in ein Handy ein. Über dem Handy schweben Medienicons.

Die AfD präsentiert sich, verglichen mit anderen Parteien, sehr erfolgreich in den sozialen Medien und hat dadurch inzwischen ein eigenes Netzwerk aufgebaut. Laut Hillje werden öffentliche Reden der Abgeordneten so geschrieben, dass sie für Social Media optimiert sind. Auf YouTube hat die AfD mittlerweile fast 400.000 Abonnent*innen während Parteien wie die SPD oder Union nur auf 4.000 – 5.000 Abonnent*innen kommen (mehr zur Social Media Strategie der AfD hier).

Ausbildung einer kollektiven Identität

„Wir gegen Die” ist nicht nur für die AfD ein beliebtes Schema. Indem gegen die anderen gehetzt wird – seien es „die da Oben”, „die Ausländer” oder „die faulen Bürgergeldempfänger*innen” – wird das Wir-Gefühl gestärkt. „Wir”, das sind immer diejenigen, die auf der richtigen Seite stehen und die sich im Zweifel auch das Recht vorbehalten, ihre „richtige” Position mit Gewalt durchzusetzen. Wichtig ist dabei weniger die thematische Ausrichtung der „Wir-Gruppe” – also wofür sie eigentlich stehen – als vielmehr die Abgrenzung gegen das Außen, das immer auch als Bedrohung dargestellt wird.

Extreme Polarisierung im öffentlichen Diskurs

Durch vereinfachte affirmatorische Behauptungen (also solche, denen man leicht zustimmen kann), Falschnachrichten und die bewusste Nutzung negativer Schlagworte werden absichtlich starke Emotionen hervorgerufen. Die hervorgerufene Wut und Empörung wird gezielt gegen andere Parteien oder Organisationen gerichtet, die Deutschland angeblich zugrunde richten wollen. Das dient der eigenen Aufwertung als „Stimme der schweigenden Mehrheit” und der Delegitimierung der politischen Gegner.

Welche Themen polarisieren besonders? 

Eine Frau ist von hinten zu sehen. Sie hält ein Schild und ein Megaphon.
Bild: Canva

Wie zu Beginn bereits angedeutet, gibt es eine Reihe von Themen, die das Potential haben, polarisierend auf gesellschaftliche Gruppen und Personen zu wirken. Dazu zählen:

  • Klimawandel
  • Zuwanderung
  • Russischer Angriffskrieg in der Ukraine 
  • Pandemien wie Covid-19
  • Sozialleistungen und ihre Finanzierung
  • Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft
  • Umgang mit sexuellen Minderheiten

Laut der Mercator-Studie ist besonders bei den Themen Klimawandel und Zuwanderung europaweit eine starke Polarisierung festzustellen.

  • So gibt es beim Thema Klimawandel trotz eindeutiger Faktenlage noch immer Menschen, die ihn nicht als dringliches Problem oder sogar als erfundene Panikmache zur Durchsetzung von bestimmten Interessen betrachten. Darüber hinaus gibt es sehr gegensätzliche Einstellungen zu den notwendigen Veränderungen und sinnvollen Maßnahmen gegen den Klimawandel, die für Polarisierung bei dem Thema sorgen.
  • Das Thema Zuwanderung ist seit der sogenannten „Flüchtlingskrise” von 2015 ebenfalls ein stark polarisierendes Thema, welches besonders durch rechtsextreme und rechtspopulistische Bewegungen und Parteien in Deutschland und Europa befeuert wird. Die dadurch entstandenen Spannungen zwischen progressiv-liberalen und konservativ-restriktiven Positionen scheinen sich dabei deutlich negativ auf die soziale Gemeinschaft und die politische Stabilität in Europa auszuwirken. 
  • Andere Themen wie die Gleichstellung von Frauen oder Sozialleistungen haben ebenfalls Polarisierungspotential, das jedoch laut der Studie deutlich schwächer ausfällt.

Für mehr Informationen zu den anderen polarisierenden Themen empfehlen wir einen direkten Blick in die oben genannte Studie.

Wie polarisiert ist Deutschland?

Zwei Frauen schauen mit trauriger Miene voneinander weg.
Bild: Canva

In der Mitte-Studie der Friedrich Ebert Stiftung von 2021 wird über demokratiegefährdende Einstellungen und deren Auswirkungen gesprochen. Darin wird deutlich, dass besonders Hasskampagnen und neue rechte und rechtsextreme Entwicklungen die (demokratische) Mitte der Gesellschaft in den letzten Jahren stark herausfordern. 

Gleichzeitig zeigt die Mercator Studie, dass Deutschland im europäischen Vergleich bei der politischen Spaltung eher im Mittelfeld liegt. Demnach sind die Menschen und Meinungslager weniger stark gespalten als uns Medienberichte und politische Debatten vermitteln. Dies wird besonders im Vergleich zu Italien und Griechenland deutlich, die besonders stark in unversöhnliche politische Lager gespalten sind.

Quelle: Mercator Studie 2023

Was sind die Folgen von Polarisierung?

Natürlich sollten wir uns nicht darauf ausruhen, dass andere Länder eine stärkere Spaltung aufweisen. Auch in Deutschland wird deutlich, wie besonders die affektive Polarisierung dafür sorgt, dass politische Auseinandersetzungen immer stärker von Empörung und der gezielten Erzeugung von Stimmungen gegen „die anderen” geprägt sind. 

Denn auch wenn unterschiedliche Meinungen natürlich essentiell für eine lebendige Demokratie sind, werden sie problematisch, wenn sie sich so stark voneinander abgrenzen, dass Gespräche miteinander nicht mehr möglich sind. Dies kann für eine grundlegende Ablehnung anderer Meinungen sorgen, wodurch das Gemeinschaftsgefühl und letztlich auch das Vertrauen in Institutionen untergraben wird.

Engagiere dich über vostel.de für eine offene Gesellschaft 

Um der Polarisierung in der Gesellschaft etwas entgegenzusetzen, engagieren sich unzählige Organisationen in Deutschland für Austausch und Vielfalt. Viele von Ihnen kannst du jetzt mit einem Engagement über vostel.de unterstützen und so selbst zu einer weniger polarisierten Gesellschaft beitragen, die gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeitet.


Dein Team von vostel.de 
wünscht dir viel Erfolg mit deinem Engagement gegen Polarisierung in Deutschland!


Noch keine Kommentare!

Ihre Email Adresse wird nicht veröffentlicht.